Das Lob der Schöpfung

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Chorus 116 mit Haydn in der Marienkirche Pirna

Mareile Hanns, 12. Mai 2014 (Dresdner Neuesten Nachrichten)

Auch diesmal war nach dem Konzert be- friedigt festzustellen: Es macht eine un- ausgesetzt große Freude, an der Ent- wicklung des Chorus 116 unter Milko Kersten teilzuhaben. Dafür ist die auf hohem Niveau stehende musikalische Seite verantwortlich, aber auch das stete Bemühen um Repertoirevielfalt. Nein, auf der Stelle treten ist dieses Ensembles und seines Chefs Sache nicht! Und man hakt nicht nur einfach so ein weiteres Werk der Chorliteratur ab. Auch Haydns „Schöpfung“, die jetzt zutreffenderwei- se am Vorabend des Sonntags Jubilate an der Reihe war, erlebte einen sehr in- dividuellen, wohldurchdachten Gestal- tungsansatz, fernab des gängigen Durch- schnitts. Da darf man auf weitere Taten bei anderen Werken gespannt sein.

1798 fand die damals begeistert auf- genommene Uraufführung des Oratori- ums, dessen Textvorlage Gottfried van Swieten lieferte, statt. Heute ist man manchmal angesichts der „Naivität“ des Werkes, des Textes in Verbindung mit der recht bildhaften, ja naturalistischen Tonsprache Haydns geneigt, darüber zu lächeln. Aber das Oratorium ist ein Kind seiner Zeit, der Aufklärung. Wenn man sich daraus dann auch noch die Fragen der Menschheit nach dem woher und dem wohin stellt (wie es Milko Kersten in seinem Einführungstext tat), den Er- halt der Schöpfung problematisiert, ge- winnt die Aufführung von Haydns „Schöpfung“ plötzlich eine sehr heutige Dimension – in diesem Falle nicht nur theoretisch, sondern glücklicherweise auch in der praktischen Umsetzung durch den Chorus 116 und Milko Kers- ten sowie alle anderen Beteiligten.

Dass der Chor bestens probiert, enga- giert und mit einem in allen Stimmgrup- pen ausgewogenen Klangbild an den Start geht, ist hier bei diesem Ensemble „natürlich“ selbstverständlich. Intonato- risch stand alles meistens zum Besten. Stilistisch und gestalterisch fand man auch zu Haydn den richtigen, d.h. leben- digen Zugang. Peinlich genau kamen Milko Kersten und seine Mitstreiter den klanglichen und dynamischen Anwei- sungen Haydns sehr differenziert nach. Der begeisternde Chorjubel in „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ oder noch gewaltiger am Ende in hymnischer Überhöhung „Singt dem Herrn“ durfte sich in aller Pracht entfalten, nicht nur präzise, sondern höchst ausdrucksstark und beeindruckend.

Schon traditionell ist die Partnerschaft des Chores mit der Sinfonietta Dresden, die auch diesmal sensibel und farben- reich ihren Part erfüllte, sich nahtlos in das Gesamtkonzept einpasste. Ach, wie geradezu liebevoll spürten die Damen und Herren (zusammen mit dem Gott- hold Schwarz) z.B. etwa Haydns detail- reichen Einfällen bei der Erschaffung des Tierreichs nach. Wunderschön! Mil- ko Kersten stand dem Ganzen nicht nur überhaupt und als Dirigent vor, sondern fügte auch in den Rezitativen die nöti- gen Cembaloakzente ein. Auch so etwas ist nicht alltäglich.

Reiche oratorische Erfahrungen brachten Jana Reiner (Gabriel) mit ih- rem leuchtend schönen Sopran und Gotthold Schwarz mit seinem profunden Bass als Raphael ein. Da wusste man von Vornherein, dass an diesen Stellen Qua- lität geliefert werden würden. Der Tenor André Khamasmie steht erst an einem früheren Karrierepunkt. Nachdem er sei- ne Anfangsnervosität schnell abgelegt hatte, überzeugte er mit kraftvoller Stim- me und respektabler Ausdruckskraft. Als echte Novität und damit abweichend von anderen Aufführungen ist die Tatsa- che zu bezeichnen, dass die Partien des ersten Menschenpaares im dritten Ora- toriumsteil gesondert besetzt waren. Das gab den Studierenden der hiesigen Hochschule Anne Pretzsch – ausgestat- tet mit einem flexiblen, silbrig hellen So- pran – und dem Bariton Henrik Marthold (eine schön timbrierte Stimme, die frei- lich mehr an Durchschlagskraft gewin- nen muss) Gelegenheit, sich zu bewei- sen. Und das taten sie denn auch erfolgreich.