Mareile Hanns, 22. September 2014 (Dresdner Neuesten Nachrichten)
Das musikalische Dresden und sein Um- land erhält nicht nur durch die großen Konzertereignisse ein Gesicht. Es lebt auch und vor allem durch die Vielfalt, durch große und kleine Konzerte in Sä- len und Kirchen, durch Chöre und Kantoreien – allen finanziellen und sonstigen Widrigkeiten zum Trotz. Daran, dass dieser Reichtum so vorhanden ist (und hoffentlich bleibt), hat die Sinfonietta Dresden einen gewichtigen, unverzichtbaren Anteil. Seit nunmehr zwanzig Jahren ist das Ensemble zuverlässig, hoch moti- viert und in bester Musizierlaune zur Stelle, immer wieder und zumeist auf ei- nem sehr guten musikalischen Niveau. Ein Glücksfall für Dresden!
Und – das Orchester hat sich eines be- wahrt: Es ist jung geblieben. Davon kün- dete auch das Jubiläumskonzert an die- sem Wochenende. Man schenkte sich und dem Publikum dazu etwas Besonde- res, nämlich eine musikalische Nacht- wanderung. Bei Mozart machte der Klangkörper einen Bogen um die be- rühmte „Kleine Nachtmusik“ und ent- schied sich für die galant-heitere Sere- nata notturna KV 239. Mit leichter Hand und viel Gespür für den Witz und den Charme der Komposition machten sich die Streicher und der Paukist ans Werk, blitzsauber und elegant in der Tonge- bung. Der reinste Ohrenschmaus! In süd- liche Gefilde entführte Luigi Dallapicco- las „Piccola musica notturna“, als eine Kammermusikbesetzung unter Judith Kubitz ein intimes, fein ausbalanciertes Stimmungsbild zeichnete. Die Damen und Herren überzeugten hier besonders durch atmosphärische Dichte und den wunderbar differenzierten Klang.
Zum Jubiläum gab es auch eine Ur- aufführung. Der 1978 geborene Sebasti- an Elikowski-Winkler steuerte „(z wja- corka, z wjacorka) wjelika ’sma (Nachts ist) große Finsternis“ bei. Nach eigenen Worten interessierten den Komponisten dabei die Farben der Nacht, „das Span- nungsfeld zwischen Dunkel und Licht“. Herausgekommen sind sich auftürmen- de, große Klangflächen, die gelegentlich von Harmonium, Harfe und Schlagwerk aufgebrochen werden und ihre Gleich- förmigkeit verlieren. Die Sinfonietta mu- sizierte das etwa viertelstündige Werk sehr konzentriert und von nie erlahmen- der Binnenspannung getragen, feinsin- nig und pointiert.
Die nächtlichen Ausflüge wurden von zwei weniger zum Thema gehörenden Werken umrahmt. Den klangschönen Anfang machte Glucks Ouvertüre zu „Iphigenie in Aulis“.
Auch wenn man – wie eingangs er- wähnt – von Beginn an um die orchestra- le Güte der Sinfonietta Dresden weiß, so versetzte diese fulminante Interpretation von Beethovens „kleiner“ 8. Sinfonie F- Dur op. 93 doch in nicht geringes Erstau- nen und letztlich in große Begeisterung. Das in die Stille hineingerufene Bravo war ohne jede Einschränkung berech- tigt. Die Sinfonie hat einen doppelbödi- gen Charakter. Sie ist „das Werk eines Humors, dem nicht zu trauen ist“. An diesem Abend faszinierte der wahrlich mitreißende musikantische Elan, den das eher klein besetzte Orchester schier ohne Grenzen verströmte und der die- sem Beethoven nur gut tat. Als ob die hallige Akustik in der Dreikönigskirche nicht vorhanden wäre, verstanden sich Judith Kubitz und die Sinfonietta vor- züglich auf die filigranen Klangfarben, die kostbaren Details der Sinfonie, lie- ßen aber auch Überschwang und Ge- fühlswärme zu ihrem Recht kommen. Kurzum – die Sinfonietta näherte sich Beethoven mit Herz und Verstand (und großem Können), dass es eine Lust war, zuzuhören.