Mareile Hanns, 18. Dezember 2014 (Dresdner Neuesten Nachrichten)
Bedarf ein strukturell und inhaltlich so reichhaltiges und klares Werk wie Bachs Weihnachtsoratorium eines Kommentars? Eigentlich sicher nicht. Doch wenn es in dieser textlich wie musikalisch fein- sinnigen, das Werk nicht antastenden Weise geschieht wie hier im Konzert der Dresdner Hochschule für Kirchenmusik, kann man das Wagnis eingehen. Die deutsche Schriftstellerin Carola Moosbach hat nach eigenem Bekunden eine Vorliebe für religiöse Lyrik und fühlt sich insbesondere von Bachs Kantaten angesprochen. Daraus resultierte das Vorhaben, diese zu kommentieren. Hier nun erlebte man, dass sie einzelne Momente der Weihnachtsgeschichte herausgriff und darüber in poetischer Form sinnierte. Mit dem Dresdner Komponisten Matthias Drude fand sie einen Partner auf gleicher gedanklicher Wellenlänge, der ihr musikalisch folgte. Herausgekom-men sind den Bach-Kantaten jeweils vorangestellte Miniaturen, die auf Grundaussagen eingingen und Teile des musikalischen Materials gedankenschwer und sehr expressiv weiterverarbeiteten. Die Stärke der Kommentare lag vor allem in ihrer Stimmungsdichte, die Bach nicht widersprach, sondern diesem den Boden bereiteten.
Mit Ausnahme der 2. Kantate stand das Konzert unter der Leitung von Ste- phan Lennig, der viel Wert auf Klangschönheit, Präzision und Ausdruckskraft legte. Angesichts der räumlich bedingten, getrennten Aufstellung der Stimmgruppen des Chores war es nicht einfach, die notwendige Klangbalance herzustellen. Doch er schaffte es zusammen mit dem gut disponierten Chor der Hochschule für Kirchenmusik, der in kleiner Besetzung auftrat und das Werk frisch und geradlinig interpretierte. Nicht zu verschweigen sind ein paar Merkwür- digkeiten in der Tempowahl. Einen so gehetzten Eingangschor habe ich kaum vorher gehört. Und warum andererseits etwa der Choral „Wie soll ich dich empfangen“ in geradezu erstarrender Langsamkeit herüberkam, erschloss sich auch nicht so recht.
Im Rahmen seiner Diplomprüfung hatte Andreas Kastl die zweite Kantate übernommen und schlug sich dabei höchst respektabel. Insbesondere das fein akzentuierte Kindelwiegen zu Beginn gelang ihm ausgesprochen gut. Dass die Choräle ein erhebliches Mehr an musikalischer wie gestalterischer Differenzierung vertragen, kann ja vielleicht beim nächsten Mal berücksichtigt werden.
Orchestrale Solidität mit vortrefflich agierenden Bläsern – allen voran die glanzvolle Solotrompete in der Bassarie „Großer Herr und starker König“ – und einem inspirierenden Continuo um Mar- tin Strohhäcker an der Truhenorgel brachte die Sinfonietta Dresden in gewohnter und erwarteter Souveränität ein.
Lyrische Stimmschönheit verband der Tenor Benjamin Glaubitz mit erzählerischer Aussagekraft. „Natürlich“ sang Matthias Weichert seinen Basspart auswendig – prägnant und intensiv, wie man es von ihm kennt. Stephanie Atanasovs warme und biegsame Altstimme hat sich in wunderbarer Weise weiterentwickelt, so dass alle drei Arien bei ihr zum beeindruckenden Erlebnis wurden. Zuverlässig ergänzte Gertrud Günther das Solistenquartett.